DANIEL FOPPA

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Macht heisst Verantwortung

Mit Guy Parmelin wurde der berechtigte Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz erfüllt. Es ist nun an der Zeit, dass die Partei von ihrem Oppositionsmodus abrückt.
Tages-Anzeiger, 10. Dezember 2015

Daniel Foppa

Die SVP hat wieder zwei Bundesräte, und das ist richtig so. Bei allen Nachteilen ist die arithmetische Konkordanz immer noch die beste Regel zur Zusammensetzung der Regierung. Und nach dieser Regel stehen der stärksten Partei des Landes zwei Bundesratssitze zu. Ob mit Guy Parmelin auch der fähigste SVP-Mann gewählt wurde, ist fraglich. Ausschlaggebend für die Wahl war nicht sein Leistungsausweis, sondern die Handicaps der Konkurrenz: Norman Gobbi wurde das Lega-Parteibuch zum Verhängnis, Thomas Aeschi die Nähe zu Christoph Blocher. Das Parlament hat einen Bundesrat nach dem Ausschlussprinzip gewählt. Einen Mann ohne Eigenschaften.

Für die SVP bedeutet Parmelins Wahl die Übernahme von mehr Verantwortung. Wer nahezu 30 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereint und zwei Bundesräte stellt, kann nicht weiterhin vorgeben, dem Politbetrieb irgendwie von aussen zuzusehen – und ihn mit radikalen Initiativen aufmischen. Wer zusammen mit (Gelegenheits-) Verbündeten die Mehrheit in der grossen Kammer und neu auch im Bundesrat stellt, sollte diese Macht nach bester Schweizer Tradition ausüben. Und das heisst: Allianzen schmieden, Kompromisse eingehen, Minderheitspositionen berücksichtigen.

Der umgängliche Romand

Man mag diese Art des Politisierens zum Gähnen finden. Tatsächlich aber ist das Land damit jahrzehntelang gut gefahren. Politische Stabilität ist eine Grundbedingung unseres Wohlstands, Minderheitenschutz ein Wesenszug des Landes. Es ist bemerkenswert, dass just jene Partei, welche die Absage an eine Politik der Kompromisse zum Programm erhob, damit höchst erfolgreich ist. Zu verfänglich ist der von ihr offerierte Mix aus Rebellentum und nationalkonservativem Gedankengut.

Wer aus dem Staat Gurkensalat machen will, läuft heute nicht mehr mit einem Transparent durch die Strasse. Sondern mit dem SVP-Wahlcouvert. Und vereint sich mit jenen, die die Wirtschaft deregulieren, die Armee stärken und die Bauern subventionieren wollen. Der Fächer der Partei ist gross, und das Potenzial scheint nicht ausgeschöpft. Guy Parmelin dürfte jedenfalls zu einem weiteren Wachstum in der Westschweiz beitragen.

Doch auch die Wahl des umgänglichen Romands kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die SVP in den letzten Jahren radikalisiert hat: Von der Zuwanderungsinitiative über den Aufruf zum Widerstand gegen Asylzentren bis zur Forderung nach einer Kündigung der Menschenrechtskonvention – die wirtschaftspolitischen und rechtsstaatlichen Folgen der SVP-Politik werden immer einschneidender. Und ein Ende ist nicht absehbar. So sieht es danach aus, als ob die Schweiz im Februar mit der Durchsetzungsinitiative ein weiteres SVP-Begehren annimmt, das internationale Abkommen verletzt und die Kompromisskultur missachtet.

In ihrer Rigidität gleicht die Initiative der SVP-Ausschlussklausel, die mit ein Grund für Parmelins Wahl ist. Und die parteiintern das Signal aussendet: Wer es je zu etwas bringen will, tut gut daran, auf Linie zu bleiben. Parteimitglieder mit Ambitionen werden sich künftig hüten, den Eindruck von Eigenständigkeit zu erwecken. Sonst könnten sie sich wie Thomas Hurter, Heinz Brand oder Hannes Germann auf dem Abstellgleis wiederfinden – egal, wie gross ihr Leistungsausweis ist. Das aber fördert eine Monokultur, die einer Volkspartei schlecht ansteht.

Ein zwiespältiges Gefühl

Die gestrigen Bundesratswahlen hinterlassen ein zwiespältiges Gefühl. Die SVP hat erhalten, wofür sie jahrelang kämpfte. Die Voraussetzungen wären also gegeben, dass die Partei von ihrem latenten Oppositionsmodus abrückt und – wie es Fraktionschef Adrian Amstutz ankündigte – mehr Verantwortung übernimmt. Gleichzeitig lassen die neuen SVP-Vertreter im Nationalrat jedoch eine weitere Verschärfung des Kurses erwarten. Und Parteichef Toni Brunner erklärte gestern umgehend, man denke nicht daran, die kritisierte Ausschlussklausel zu streichen. Damit ist klar: Die Partei plant bereits die Nachfolge von Ueli Maurer – und wird dann ultimativ mit Vertretern wie Thomas Matter oder Roger Köppel aufwarten. Ob sich das Parlament allerdings ein weiteres Mal derart vorführen lässt, ist offen.

Die SVP hat es in der Hand, nun alle jene eines Besseren zu belehren, die ob ihrer Radikalisierung besorgt sind. Sie hat es in der Hand, sich als konstruktive Kraft an den Reformen zu beteiligen, die aufgrund der demografischen Herausforderung und der internationalen Vernetzung unseres Landes unabdingbar sind. Die Partei müsste dazu nicht ihre Kernforderungen über Bord werfen. Sondern zurückfinden zum Kompromiss, den sie einst beherrschte. Denn eine Partei dieser Grösse sollte nicht länger der Stachel im Politbetrieb sein.

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