Daniel Foppa
Zum Schluss war es eine Qual. Man litt mit, wenn sich Bundesrat Johann Schneider-Ammann durch ein Manuskript quälte oder beim Gespräch scheinbar den Faden verlor. Die achtjährige Amtszeit hatte den früheren Unternehmer gezeichnet. Die Selbstdarstellung war nie sein Ding, im Verlauf der zehrenden Jahre im Bundesrat kamen sichtbare Zeichen der Erschöpfung beim heute 66-Jährigen dazu.
Als Schneider-Ammann 2010 gewählt wurde, ruhten viele Hoffnungen auf dem Berner: Der erfolgreiche Unternehmer galt als Kontrapunkt zu seinem Vorgänger Hans-Rudolf Merz, den viele als Erfüllungsgehilfen der Grossbanken sahen. Schneider-Ammann hatte sich mit klug platzierter Kritik an überrissenen Managerboni im Vorfeld der Bundesratswahl als Patron mit sozialem Gewissen positioniert. Schliesslich setzte er sich gegen Parteikollegin Karin Keller-Sutter (FDP) und die Kampfwahl von Jean-François Rime (SVP) durch.
Zerwürfnis mit den Gewerkschaften
Seither war Schneider-Ammann Wirtschaftsminister. Sein Wirken war dabei stets einem Ziel untergeordnet – der Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes im internationalen Wettbewerb. Damit stiess der Freisinnige oft auf Widerstände: Die mächtige Bauernlobby wehrte sich gegen mehr Wettbewerb und liess den Agrarminister im Juni mit seinen Plänen für mehr Marktöffnung im Parlament auflaufen.
Den massiven Zorn von Mitte-links zog er sich unlängst mit erleichterten Ausfuhrbestimmungen für die Rüstungsindustrie zu. Das folgenschwerste Zerwürfnis handelte sich Schneider-Ammann jedoch diesen Sommer mit den Gewerkschaften ein. Unkluge Kommunikation von ihm und vor allem von Aussenminister Ignazio Cassis trug dazu bei, dass die Gewerkschaften die Gespräche über Anpassungen bei den flankierenden Massnahmen boykottieren. Schneider-Ammann reagierte entrüstet, als ihm die Linke vorwarf, er wolle den Lohnschutz opfern. Der Wirtschaftsminister, der sich stets als Patron alter Schule verstand, sah sich einmal mehr missverstanden.
Der Versuch des ersten «Digitalministers»
«Gring abe und chrampfe», sei stets seine Devise gewesen, erklärte er an der Medienkonferenz zu seinem Rücktritt. Tatsächlich hat Schneider-Ammann einiges erreicht für den Wirtschaftsstandort Schweiz, etwa das Freihandelsabkommen mit China, die Förderung der Berufsbildung oder die Bewältigung des Frankenschocks.
Auch mit seinem mantramässigen Bekenntnis zu den Chancen der Digitalisierung und dem Versuch, sich als erster «Digitalminister» zu etablieren, zeigte Schneider-Ammann, wie sehr er auf Innovation setzte. Doch auch in diesem, ihm so wichtigen Bereich, interpretierte der Freisinnige seine Rolle und die des Staates zurückhaltend. Grosse Spuren wird Johann Schneider-Ammann als Bundesrat deshalb nicht hinterlassen. Der Unternehmer, den es in die Landesregierung verschlagen hat, dürfte es als Kompliment auffassen.