Daniel Foppa
Und erneut tut Ueli Maurer das, was er bis zur Perfektion beherrscht: Er gibt Rätsel auf. Will er nach den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats ins Finanzdepartement wechseln, wie es seine Partei favorisiert? Oder im Verteidigungsdepartement bleiben, wo es ihm sichtlich behagt? Maurer lässt die Öffentlichkeit im Unklaren, sendet widersprüchliche Signale aus. Und erweckt den Eindruck, als interessiere ihn das alles nur mässig.
Beim SVP-Bundesrat ist diese Haltung Programm. Am auffälligsten zeigte sie sich im Abstimmungskampf um den Gripen, Maurers wichtigstem Geschäft in der letzten Legislatur. Laut dem Abstimmungsbüchlein war der Kauf der 22 Jets nötig, damit die Luftwaffe den Schutz der Schweiz und ihrer Bevölkerung weiterhin gewährleisten kann. Bei der Beschaffung ging es aus Sicht des Verteidigungsministers also um alles oder nichts. Und wie verhielt sich Maurer im Abstimmungskampf? Er lavierte, liess bisweilen durchblicken, dass er lieber Geld für ein traditionelles Massenheer als für ein paar Hightechjets ausgeben würde, und gab sich wenig engagiert. Das Ergebnis ist bekannt: Der Gripen scheiterte an der Urne, und die Armee musste ihre erste Abstimmungsniederlage bei einer Rüstungsbeschaffung hinnehmen.
Seine grösste Niederlage
Über Maurers Verhalten im Abstimmungskampf wird bis heute gerätselt. Manche sehen dahinter einen wohl- durchdachten Plan, um mit einer kalkulierten Niederlage mehr Geld für andere Rüstungsgüter herauszuholen. Andere gehen davon aus, dass sich Maurer zu sehr in Sicherheit wiegte. Die armeekritischen Vorlagen zur Aufbewahrung der Armeewaffen im Zeughaus und zur Abschaffung der Wehrpflicht waren 2011 und 2013 klar gescheitert, weshalb man im Verteidigungsdepartement auch ein Ja zum Gripen erwartete.
Tatsächlich aber dürften es weder Kalkül noch falsche Zuversicht gewesen sein, die Maurer in seine grösste Niederlage schlittern liessen. Vielmehr zeigte sich auch beim Gripen eine Art von mässigem Interesse, das Maurer am Bundesratsamt an den Tag legt. Die Begeisterung eines Verteidigungsministers Adolf Ogi, die (zumeist zum Scheitern verurteilte) Reformfreude seines Vorgängers Samuel Schmid – Fehlanzeige. Bei jeder Pressekonferenz hat man bei Maurer das Gefühl, dass er eigentlich lieber woanders wäre und etwas anderes täte, als die Öffentlichkeit für seine Projekte zu erwärmen. Ähnlich gibt sich Maurer im Parlament und, wie Ratsmitglieder berichten, auch in Kommissionssitzungen.
Entsprechend durchzogen fällt die Legislaturbilanz des Verteidigungsministers aus. Neben dem Nein zum Gripen lief er auch mit der Armeereform im Parlament auf. Die SVP half mit, die Vorlage im Nationalrat zu bodigen – weil sie mehr Geld für die Armee gewünscht hatte. Das ist zwar ganz in Maurers Sinn, aber ob diese Rechnung am Schluss aufgeht, ist angesichts der anstehenden Sparprogramme offen. Seine Kollegen im Bundesrat konnte Maurer jedenfalls nicht davon überzeugen, der Armee die gewünschten fünf Milliarden Franken pro Jahr zur Verfügung zu stellen.
Solide Arbeit leistete Maurer auf konzeptioneller Stufe. Mit dem Sicherheitsverbund Schweiz schuf er eine Plattform für die Zusammenarbeit der kantonalen Blaulichtorganisationen mit der Armee und dem Zivilschutz. Der Verbund hat sich in seiner Pilotphase bewährt und wird definitiv weitergeführt. Auch der von Maurer am 11. November präsentierte Sicherheitspolitische Bericht des Bundesrats ist eine taugliche Grundlage für die Sicherheitspolitik der nächsten Jahre: Er legt den Fokus auf neue Bedrohungsformen wie Terrorismus und Cyberattacken und bekennt sich zur internationalen Kooperation – stärker, als man dies von Maurer gemeinhin gewohnt ist.
Lust an der Provokation
Näher als solche Grundlagenarbeit liegt Maurer indes der Kontakt zur Truppe, die Begegnung mit dem Volk – und immer wieder die Lust an der Provokation. Diese reicht vom Lamentieren über die Bürde des Bundespräsidentenamts über einen öffentlichen Angriff auf OSZE-Präsident Didier Burkhalter (für den er sich umgehend entschuldigte) bis zur Forderung, die Schweiz solle die Menschenrechtskonvention kündigen. Maurer sieht sich verpflichtet, der Parteibasis regelmässig zu versichern, dass er nicht von der rechten Lehre abgefallen ist. Als er etwa vor den SVP-Delegierten das bundesrätliche Nein zur Zuwanderungsinitiative vertreten musste, liess Maurer auf dem Rednerpult eine Tischbombe platzen – um zu zeigen, dass er nicht seine persönliche Meinung vertrat. Mehr Schenkelklopfen war nie im Bundesrat. Und auf die Frage der «SonntagsZeitung», was er jemandem am Bratwurststand rate, der über die Zuwanderung herziehe, sagte Maurer kurz vor der Abstimmung: «Dann sag ich ihm, gehen Sie Ja stimmen am 9. Februar!»
Gut möglich, dass Maurer künftig weniger oft zur Provokation greifen muss, um für seine Sache zu werben. Denn die strategische und die politische Grosswetterlage kommen ihm entgegen. Spätestens seit den Anschlägen von Paris haben sicherheitsrelevante Geschäfte Hochkonjunktur. Maurer konnte denn auch umgehend die Wiedereinführung von Grenzkontrollen fordern – ohne dass ihm vorgehalten wurde, dies stehe im Widerspruch zum Schengen-Abkommen.
Ausdruck eines gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses war bereits das Ja des Parlaments zum neuen Nachrichtendienstgesetz im September. Der Verteidigungsminister hatte es geschafft, die SVP von mehr Kompetenzen für den Geheimdienst zu überzeugen. Insbesondere im klar nach rechts gerückten Nationalrat wird er es mit solchen Vorlagen fortan einfacher haben. Und auch im Bundesrat kann Maurer künftig auf mehr Support zählen, sitzt doch ab nächstem Jahr ein zweiter Parteivertreter im Siebnergremium. Eine besondere Genugtuung für den ehemaligen Parteipräsidenten, der massgeblich zum Erstarken der SVP beigetragen hat – und auch als Bundesrat latent damit kokettiert, primär ein Gesandter seiner Partei zu sein.