Daniel Foppa
Sepp Blatter gibt gerne den Katholiken. Er singt mit Vorliebe das Kirchenlied «Grosser Gott, wir loben dich», und sein Beichtvater erteilt ihm regelmässig die Absolution. So kann der Fifa-Chef seine Verbundenheit mit einem traditionellen Wertekanon unterstreichen. Mit einem Kanon, den Gebote, Sünden und Vergebung kennzeichnen. Entsprechend locker gehen Blatter Worte wie «Moral und Ethik» über die Lippen.
Bei der Vorstellung der neuen Fifa-Ethikkommission betonte der Walliser letzte Woche, es gehe nun um die «ethische Aufarbeitung» der Schmiergeldaffären. Rechtlich sei alles erledigt, da Bestechung früher nicht strafbar gewesen sei. Andernfalls werde «Moraljustiz» betrieben, sagte Blatter und verschwieg, dass die den Fifa-Funktionären vorgeworfene ungetreue Geschäftsführung auch früher nicht straffrei war.
Der Gerichtsbarkeit entzogen
Was auch immer Blatter mit der Wortschöpfung «Moraljustiz» meint – seine Unverfrorenheit in der Verwendung moralischer Begriffe ist gewaltig.
Als ihn der TA 2006 fragte, ob er wisse, für wen die irrtümlich auf einem Fifa-Konto gelandete Schmiergeldzahlung von einer Million Franken gedacht war, sagte er wörtlich: «Nein.» Seit der Publikation der Zuger ISL-Akte ist je- doch amtlich: Blatter wusste sehr wohl, dass das Geld für seinen Vorgänger João Havelange bestimmt war.Im Zuge dieser Veröffentlichungen hat Blatter gar erstmals eingeräumt, dass auch ihm Schmiergelder übergeben wurden. Der Fifa-Chef zahlte die 50 000 Dollar zwar zurück, tolerierte das korrupte System jedoch.
Was ist davon zu halten, wenn sich jemand zum Moralapostel aufspielt, der nachweislich nicht die Wahrheit sagt, Korruption und schamlose Bereicherung zulässt, Schmiergeldzahlungen «Provisionen» nennt und immer nur das zugibt, was nächstens aufzufliegen droht? Eben.Blatter ist der falsche Mann, um die Fifa auszumisten. Über Jahre hat er Macht und Millionen geschachert. Er hat eine geradezu vatikanische Parallelgesellschaft errichtet, die der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen scheint – mit ihm als Oberhaupt, das von einem zwielichtigen Konklave gewählt wird. «Der Heilige Vater hat 1,2 Milliarden Mitglieder. Ich, also die Fifa, habe auch 1,2 Milliarden Mitglieder», gab der Walliser vor ein paar Jahren zum Besten.
Ein Fall für den Beichtvater
Wird nun alles anders? Wohl kaum. Man würde Blatter unterschätzen, wenn man von der Ethikkommission eine lückenlose Aufdeckung der krummen Geschäfte erwartete. Wer sich genauer mit den Befugnissen des Gremiums befasst, sieht sich in seinem Zweifel bestätigt (TA vom Samstag).
Zu stark ist Blatter für dieses System des Gebens und Nehmens verantwortlich, als dass er an Transparenz interessiert wäre. Noch vor einer Woche kündigte er an: «Havelange muss weg.» Er werde dessen Absetzung als Ehrenpräsident beantragen. An der Medienkonferenz nach der Komiteesitzung räumte Blatter ein, Havelange sei kein Thema gewesen.
Wer zudem derart nervös und ausweichend wie Blatter die Frage verneint, ob er von weiteren Schmiergeldzahlungen wisse, hat kein ruhiges Gewissen. Lange plagen dürfte das den Fifa-Chef nicht. Für solche Fälle hat ein guter Katholik ja seinen Beichtvater.