Daniel Foppa
Er ist derzeit der meistgehasste Justizvertreter in der Schweiz: Bundesrichter Yves Donzallaz, der der Lieferung von 45 000 Datensätzen von UBS-Kunden an die französischen Behörden zugestimmt hat. Donzallaz gab den Ausschlag, dass das fünfköpfige Richtergremium das Vorhaben bewilligte – obwohl er SVP-Mitglied ist. Seine Partei widersetzt sich seit je der Herausgabe von Kundendossiers und ist entsetzt ob des Verhaltens ihres Richters.
«Das Urteil ist ein Skandal und das Verhalten von Herrn Donzallaz nicht nachvollziehbar», sagt SVP-Nationalrat Thomas Matter. Das Bundesgericht setze sich über den Willen des Parlaments hinweg, das im Gesetz sogenannte Fishing-Expeditions explizit ausgeschlossen habe. Als Fischzüge gelten Amtshilfeanträge ausländischer Steuerbehörden, die keine konkreten Verdachtsmomente zu einzelnen Kunden in der Hand haben. Matter kündigte an, die SVP werde sich genauer mit dem Urteil und der Rolle ihres Bundesrichters befassen. Er jedenfalls könne sich nicht vorstellen, Donzallaz wiederzuwählen.
«Würden wir nie aufstellen»
SVP-Nationalrat Pirmin Schwander erwog gegenüber der «SonntagsZeitung» gar ein Amtsenthebungsverfahren für Richter, die Gesetze missachteten. Und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sagte ebenda: «Immer wieder wählen Linke mit gütiger Hilfe der Mitteparteien SVP-Richter, die wir selber gar nie aufstellen würden.» Das sei der Kern des Problems und der Grund für solche Differenzen.
Damit insinuiert Aeschi, andere Parteien hätten Donzallaz der SVP aufs Auge gedrückt. Tatsächlich trifft das Gegenteil zu.
Erstmals zum Thema wurde der Name Donzallaz im Parlament während der Sommersession 2000. SVP-Fraktionschef Walter Frey empfahl der Vereinigten Bundesversammlung, Donzallaz zum nebenamtlichen Bundesrichter zu wählen.
Der Entscheid für den Kandidaten sei in der SVP-Fraktion «einstimmig und ohne Enthaltung» erfolgt. Frey lobte Donzallaz über den grünen Klee: «Seine umfangreichen Publikationen, auch im internationalen Recht, lassen an seiner ausserordentlichen Schaffenskraft keinen Zweifel.» Das Parlament jedoch wählte einen Vertreter der Grünen – obwohl die SVP am Bundesgericht untervertreten war.
Blochers Wutausbruch
Nach der Wahl eilte Christoph Blocher ans Rednerpult und sagte: «Sie haben einen Tagessieg errungen, indem Sie der siegreichen Partei einen Schlag versetzen konnten. Dazu gratuliere ich Ihnen. Wenn ich das Kader für mein Unternehmen so auswählen würde, wie Sie das Kader für das Bundesgericht, wäre ich wirtschaftlich etwa dort, wo Nordkorea heute steht.»
Ein Jahr später stellte die SVP Donzallaz erneut auf, dieses Mal zur Wahl als vollamtlichen Bundesrichter. Fraktionschef Caspar Baader warb eindringlich für den Walliser: «Unsere Partei präsentiert Ihnen mit Herrn Yves Donzallaz einen hervorragenden Kandidaten mit einem tadellosen juristischen Leistungsausweis.» Er führe eine Anwaltsund Notariatskanzlei und habe einen Lehrauftrag an der Universität Lausanne inne. «Von seiner enormen Schaffenskraft zeugen auch die vielen wissenschaftlichen Publikationen», sagte Baader und warf den anderen Parteien vor, gegen Donzallaz eine «Schmutzkampagne» zu führen.
Vor der Wahl war Kritik am Kandidaten laut geworden. Das lag zum einen daran, dass Donzallaz praktisch keine Erfahrung als Richter hatte. Hartnäckig hielten sich zudem Gerüchte, dass er in eine Verleumdungskampagne von Walliser Abtreibungsgegnern gegen die frühere Präsidentin der CVP-Frauen, Brigitte Hauser Süess, verwickelt war, was er indes bestritt.
Hardliner als Partner
Weiter sorgte für Irritationen, dass Donzallaz den SVP-Hardliner und vom Bundesgericht mehrfach gerügten Anwalt Jean-Luc Addor zum Partner gemacht hatte. Das alles schien zu viel: Das Parlament gab einem SP-Kandidaten den Vorzug.
Erst 2008 wurde Donzallaz gewählt – im dritten Anlauf und bloss mit 129 von 217 Stimmen. Um den Walliser wurde es danach ruhig, bis das Bundesgericht 2015 ein aufsehenerregendes Urteil fällte: Die Lausanner Richter hielten fest, das Freizügigkeitsabkommen habe Vorrang vor der SVP-Zuwanderungsinitiative. Am Entscheid mitbeteiligt: Yves Donzallaz. Der Richter wurde in der Folge von der «Weltwoche» als «Abweichler» und «Internationalist» angeprangert. Seine Partei zitierte ihn zur Aussprache, was Donzallaz jedoch ignorierte.
Nun sorgt das UBS-Urteil für eine neue Eskalation im Verhältnis des Richters zu seiner Partei. Yves Donzallaz selber wollte gestern keine Stellung nehmen. Im Herbst 2020 wird das Parlament über seine Wiederwahl entscheiden.